Die Gitarre wurde in Spanien erfunden. Geschlagen wird sie überall auf der Welt. Mit besonders frischem Elan in Deutschland. Kulminationspunkt: das Pure&Crafted.
Gitarrenmusik aus Deutschland musste sich seit den 90ern gegen HipHop und Techno behaupten. Capital Bra, Deichkind und Modeselektor auf der einen Seite, die Lassie Singers, Die Sterne und Die Nerven auf der anderen. Ganz oben thronen immer noch die Säulenheiligen der deutschen Indie-Gitarren, Tocotronic. Teil einer Jugendbewegung wollten sie vor 28 Jahren sein.
Aber an der Basis rumort es wie lange nicht mehr. Künstler wie Temmis, Power Plush, Shelter Boy, Zimmer90 oder Beachpeople stehen für eine junge Generation an Musikern, die zwischen Indie-Tradition, New-Wave-Referenzen und Songwriting nach einer neuen Innerlichkeit suchen – auf sehr mitreißende Weise.
Genre-Dogmen stehen ihrer Haltung nur im Wege. Sie spielen Gitarre unter Neonlicht und sitzen mit dem Computer am Lagerfeuer. Gesungen wird zumeist in der Lingua franca der Popmusik, Englisch. Auch die musikalischen Anleihen kommen aus dem englischsprachigen Raum. Der Dreampop von Beachpeople oder der Wimp-Pop von Power Plush sorgt sich nicht um einen originär deutschen Tonfall wie im Krautrock der 70er oder der Neuen Deutschen Welle der 80er. Man braucht keine Extrawurst, sondern ist selbstverständlich international. Übertriebene Gesten und Ironie sind nicht ihre Sache. Selbstbewusst aufrichtig bleiben sie auf Augenhöhe mit ihren Zuhörern und feiern den Kollektiv-Geist der Indie-Szene.
Und dann kommt Drangsal auf die Bühne des Pure&Crafted und schwemmt mit seiner exaltierten Drama-Wucht alle leisen Zwischentöne hinfort. Ganz uncool und gerade deshalb groß.
